Immer wieder stellen mir Eltern Fragen, die sich auf den Umgang mit ihren Kindern bei Entscheidungen beziehen.
Fragen, bei denen sie sich unsicher sind, ob sie autoritär einfach zum Wohle ihrer Kinder entscheiden sollen oder lieber ihren Nachwuchs hinzuziehen und zum Beispiel selbst entscheiden lassen sollen. Das hängt natürlich ganz klar von der jeweiligen Situation ab. Und doch gibt es in beinahe allen Situationen dazu eine grundlegenden roten Faden …
Ich verwende bei diesen Gelegenheiten gerne den Vergleich des Leitwolfs und seinem Rudel.
Ein Leitwolf muss Entscheidungen zum Wohle seines Rudels treffen und dabei auch die Bedürfnisse aller Rudelmitgliedern in die Entscheidungsfindung mit einbeziehen. Manche Entscheidungen muss er treffen, obwohl er weiß, dass der eine oder andere Jungwolf daran etwas auszusetzen hat und sich dagegen auflehnen wird. Doch aufgrund seiner Lebenserfahrung weiß er, dass diese Wahl zum Besten für sein ihm anvertrautes Rudel trifft. Darin steckt schon das Wort Vertrauen: denn das Rudel weiß um die tiefe Verbundenheit und Verantwortung des Leitwolfes.
Doch wenn der Leitwolf selbst plötzlich nicht mehr weiß, welchen Weg er gehen soll oder was das Beste für seine Artgenossen ist – dann wird es schnell dazu kommen, dass das Rudel verunsichert ist und sich gegen seine Entscheidungen auflehnt.
Die Folgen sind klar: ein junger Wolf bewirbt sich dann um die Position des Anführers und macht dem Leitwolf das Leben schwer.
Das kann dann, übertragen auf die Familie, der pubertierende Teenager genauso wie das Kleinkind in der Trotzphase sein. Kinder sind hervorragende Strategen und lernen am Erfolg: sie wissen schnell, wie sie die Steuerungsrolle übernehmen können und welche Knöpfe sie drücken müssen.
Wichtig ist, dass die Eltern ihr Kind bei Entscheidungen, die das Kind betreffen, mit einbeziehen und, angepasst an das Alter des Kindes, offen für Kompromisse oder Optimierungen sind. Die Meinung des Kindes respektieren und in den Entscheidungsprozess mit einbinden, ihm Rückmeldung geben über seine Vorschläge und gegebenenfalls liebevoll korrigieren: DAS zeigt die Stärke eines Erwachsenen, der sich seiner Vorbildfunktion und Rolle als Elternteil bewusst ist.
Die endgültige Entscheidung liegt jedoch in der Hand der Eltern – eine Entscheidung, die nach der besten Option zum Wohle der Familie getroffen wird.
Ein Kind kann die volle Tragweite der Konsequenzen einer Option meistens noch nicht präzise genug einschätzen – zudem Kinder sehr nach dem Prinzip des Hedonismus leben und manch Herausforderung eventuell scheuen würden. Doch wenn sie sicher sind, dass sie der Entscheidung ihrer Eltern vertrauen können … folgen sie nach. Und noch viel wichtiger: sie lernen für ihr eigenes Leben.
Wer jetzt jedoch denkt, dass er oder sie einfach so über die Köpfe seiner Familie hinweg entscheiden kann, weil er / sie am besten weiß, was gut ist… nun, dieser Elternteil möge sich die Zeit nehmen und ein Wolfsrudel beobachten bzw deren Verhalten recherchieren. Denn dann würde er /sie verstehen, was es heißt, ein guter Leitwolf zu sein…
Vielleicht hilft dir dieser Gedanke ja bei der nächsten Entscheidung, die in deinem Rudel ansteht!