Endlich Ferien! Für unsere Kinder sechs Wochen lernfreie Zeit. Keine Schule, keine Hausaufgaben, keine Tests!
Wirklich lern-FREI?? Oder ist das genau die Zeit, die jeder normale Organismus braucht, um Neues zu verarbeiten und mit bereits Gelerntem Verknüpfungen herzustellen.
Eine mit Augenzwinkern zu verstehende Lerntheorie besagt ja, dass man “Skifahren im Sommer” und “Schwimmen im Winter” lernt. Und für viele Bewegungsabläufe trifft genau dies zu. Wir brauchen Zeit zum Verarbeiten!
Was habe ich mich früher bei bestimmten Passagen am Klavier abgemüht, um meinen Fingern eine schwierige Tonfolge geläufig zu machen. Nervtötende Wiederholungen eines Fingerlaufes, der leider meist selbst nach Stunden nicht von Erfolg gekrönt war.
Und am nächsten Tag, kaum eine Nacht darüber geschlafen, sitzt er plötzlich. Spielend einfach wissen meine Finger auf einmal wohin… Dabei war ich mir sicher, dass sie dies am Tag zuvor trotz intensiven Übens irgendwie nicht wissen wollten. Ich dachte ja sogar, die zehn Freunde an meiner Hand wären lernresistent!!!
Und doch haben sich über Nacht einige Synapsen erbarmt und Verknüpfungen geschlossen, die da vorher noch nicht waren.
So etwas gelingt übrigens überaus erfolgreich im entspannten Zustand. Schlaf und Erholung gehören also definitiv zum Lernen dazu.
Warum greife ich dieses Lernthema jetzt in den Ferien auf?
Weil es ganz wichtig ist, den Kindern jetzt erst einmal Ruhe und Erholung zu gönnen. Keine wissensfördernde Lektüre, die rein zufällig neben den Frühstücksteller gelegt wird. Keine Ferien-Förder-Kurse zum Schlau-werden! Keine Schulstoff-Sendungen im Fernsehen! Einfach mal dem Kopf Erholung gönnen! Langeweile …. Das wäre jetzt das Beste… Weil daraus Kreativität entstehen kann und dem Gelernten Raum gibt, um neue Verknüpfungen zu finden. Leider ist Langeweile so verpönt, dass jede freie Sekunde sinnvoll gefüllt werden muss. Und die elektronischen Medien sind allgegenwärtig, um die kleinste Einheit ohne Beschäftigung schnell, einfach und geradezu suchtartig zu überbrücken.
In der Kunstgeschichte gab es eine Zeitströmung, in der jeder kleinste Raum mit Figuren, Verzierungen und Attributen gefüllt werden mussten. Diese Erscheinung nannte man “horror vacui”… Die “Scheu vor der Leere”. Viele Kirchen und Gemälde zeugen heute noch davon. Im überragenden Sinne ist dies jetzt bei uns und unseren Kindern in Bezug auf Freizeitbeschäftigung wieder zurück. Eine Renaissance des horror vacui: Angst vor dem Müßiggang!!
Und wie geht es dann besser? Gedanken zur Ruhe kommen lassen. Wieder träumen von Zielen und Wünschen. Sich innerlich sortieren… Und dann, je nachdem, was im neuen Schuljahr ansteht, kann dann nach einer mit dem Kind abgesprochenen Zeit wieder mit dem “Training” begonnen werden.
Am besten wirklich wie beim Sport: zuerst leichtes Aufwärmen, dann steigern und die Leistung erhöhen.
Wenn eine Nachprüfung oder Vorrücken auf Probe anstehen, dann darf dieses Training natürlich früher beginnen, als wenn ein normaler Jahrgangsstufenwechsel bevorsteht.
Doch selbst dann empfiehlt sich, dass schon vor Schulbeginn Vokabeln, Formeln und Rechtschreibung wiederholt werden. Sonst ist in der ersten Schulwoche eine Katerstimmung vorprogrammiert.
Lern-frei also nur zum Teil. Denn Lernstoff, der nicht genügend Wiederholung bekommt, gerät leider auch leicht auf’s Abstellgleis. Und auch das Lernen selbst darf wieder trainiert werden: das Gehirn kann mit einem großen Muskel verglichen werden. Wenn es sechs Wochen nicht trainiert wird, dann wird es schlaff und ist von einer Reaktivierung erst einmal “not amused”!
Gäbe es “Gehirnmuskelkater” – viele untrainierte Schulkinder-Gehirne hätten dies zu Schulbeginn ganz bestimmt!!! 😉
Das geht uns Erwachsenen übrigens genau so: ich lerne gerade für den Heilpraktiker Psychotherapie. Ich muss mich auch wieder an das Lernen großer Mengen Lernstoff mit unaussprechlichen Fachausdrücken gewöhnen. Training halt… Und “Gehirnmuskelkater” habe ich jetzt gerade bestimmt auch. 😀
Wann hast du das letzte Mal für eine Prüfung gelernt? Erst dann weißt du vielleicht, wie es deinem Kind geht.
Was mir besonders am Herzen liegt, ist die Tatsache, dass leider immer noch viel zu wenige Kinder ihrem Lerntyp und Stärken entsprechend lernen. Dann fühlt sich Lernen schwer und anstrengend an. Das führt natürlich zur Demotivation und auf lange Sicht zu schulischen Misserfolgen.
Leider wird in der Schule nur nach einem Schema unterrichtet. Das bedeutet, dass Kinder, die nicht in dieses Muster passen, einfach durch das Raster fallen und dann nicht mithalten können.
Frustration und Resignation an einer Stelle, an der ein einfaches Umdenken beim Lernen zu persönlichen und schulischen Erfolgen führen würde.
Ich beschäftige mich seit meinem ersten Staatsexamen mit dem Thema “Lernen lernen”.
Wer schon einmal mit einem günstigen Handwerkszeug vom Discounter versucht hat professionell zu arbeiten, der weiß, was ich meine. Es läuft damit einfach nicht gut. “Suboptimal” wäre noch beschönigend …!!
Früher oder später geht Mann oder Frau völlig genervt vom unhandlichen und ungeeigneten Werkzeug in den Baumarkt und … lässt sich beraten. Dann wird ein individuell passendes Gerät gekauft, mit dem das Arbeiten Spaß macht und bei dem das Ergebnis stimmt.
Bei solch banalen Geschichten wie Handwerkszeug gehen wir diesen Weg. Doch wenn es um unsere eigenen Kinder geht, dann scheuen wir diese sinnvolle Investition? 😉
Welche Stärken hat dein Kind beim Lernen? Welcher Kanal bzw. welche Kanäle sind offen? Sind es die gleichen, die du hast? Oder gerätst du und dein Kind beim Lernen und Hausaufgaben machen genau aus diesem Grund immer wieder in eine Sackgasse?
Ich bin zum Beispiel visuell – meine Tochter auditiv. Wenn ich ihr etwas erkläre, dann darf ich mich auf ihren Kanal einstellen. Sonst versteht sie mich und den Lernstoff nicht. Ganz einfach, oder?
So einfach darf dann auch das neue Schuljahr beginnen. Aufgewärmt für großartige, persönliche Erfolge. Ausgestattet mit dem richtigen “Kopfwerkzeug” und bereit durch die vorangegangene Entspannung für neue Verknüpfungen auf dem eigenen Datenhighway … 🙂