„Hab keine Angst!“
Als ob dieser Spruch bei unseren Kindern wirken würde….
Wie wir wissen, hört unser Unterbewusstsein in diesem Augenblick vornehmlich das Wort „Angst“ und reagiert entsprechend mit dem damit verknüpften Gefühl.
Wir Erwachsenen sind nicht die einzigen, die manchmal mit Sorgen oder Ängsten zu kämpfen haben – auch Kinder.
Therapeut*innen sagen, dass die Art der Ängste von Kindern in der Regel nach Altersgruppen oder Entwicklungsstadien variieren.
Wie Eltern wissen eines ganz genau: Kinder unterscheiden sich in ihrem Temperament. Einige Babys sind entspannter, während andere ängstlicher sind, manche sind Schreier, andere nicht … und so weiter und so fort.
Angst ist nur dann ein Problem, wenn sie die kognitive, emotionale oder soziale Entwicklung eines Kindes beeinträchtigt. (Wichtiger Hinweis: Wenn du dahingehend Hinweise bei deinem Kind bemerkst, solltest du dich mit deinem Kind an fachlich dafür ausgebildete Menschen wie Kinderarzt oder Jugendtherapeuten wenden.)
Schauen wir einmal darauf, worüber sich Kinder überhaupt Sorgen machen.
Es ist doch die einfachste Zeit des Lebens, oder?
(Und wahrscheinlich denkst du gerade darüber nach, wie einfach die Dinge in deiner eigenen Kindheit waren…? Jedenfalls scheint es dir jetzt so!)
Angst von Kindern ist jedoch eine Tatsache, die mit der Entwicklung unseres Gehirns zu tun hat. Um präzise zu sein: mit der Geschwindigkeit mit der sich ihr Gehirn entwickelt.
Während dieser Zeit nimmt das Kind eine große Menge äußerer Reize auf – und versucht diese zu interpretieren: die Umgebung, Menschen, Orte und Dinge. Angst vor dem Unbekannten ist zudem ein sehr natürlicher Teil des Erwachsenwerdens. Es ist fest mit einem primitiven Teil des Gehirns, der Amygdala, verbunden.
Um die Sache noch komplizierter zu gestalten, entwickelt sich die Fähigkeit, mit Angstzuständen und Sorgen umzugehen, erst NACH der Pubertät.
Das Gehirn wächst von 0 bis 6 Jahren schneller als zu jeder anderen Zeit im Leben, was zusätzlichen Zündstoff in Punkto Angst verursacht. In der Pubertät „baut“ es sich zu 90% um: erneut demnach Prime Time in Sachen fehlende Stresskompetenz.
“Worüber sorgen sich Kinder?”
Kinder und Kleinkinder (0-2 Jahre)
– von ihren Eltern getrennt sein.
Hier ist der Grund: Bis etwa 8 bis 10 Monate glauben Babys, dass das, was vorübergehend verschwunden ist, einfach verschwindet. Wenn du zum Beispiel den Raum verlässt, glaubt dein Kind, du wärst für immer verschwunden! Später wissen sie, dass du irgendwo bist – und beginnen die Angst vor der Trennung zu spüren. Sie lieben dich schließlich!
– Laute Geräusche
Hier ist der Grund dafür: Das Gehirn des Babys ist sehr empfindlich gegenüber Informationsüberflutung (und sensorischer Überlastung). Ein lautes Geräusch (oder “verblüffendes” Gefühl) versetzt ihr empfindliches Gehirn in Alarmbereitschaft.
– Außerhalb der Kontrolle
Hier ist der Grund: Kinder haben jetzt ein zunehmendes Bedürfnis nach Kontrolle über ihre Umgebung. Alles, was außerhalb ihrer Kontrolle zu stehen scheint (etwa ein hupendes Auto), kann erschreckend wirken.
Kindergarten (3-5 Jahre)
-Angst vor der Dunkelheit / nachts allein zu sein
Hier ist der Grund: Kinder im Vorschulalter haben es schwer, die Phantasie von der Realität zu trennen („Siehst du auch all diese Superhelden?“). Wenn ein Kind Dunkelheit mit etwas Unheimlichem in Verbindung bringt, kommt es wahrscheinlich nachts in Dein Bett. Dann ist die Welt wieder in Ordnung- zumindest für dein Kind 😉.
– Menschen in Verkleidung (Weihnachtsmann, Osterhase, Nikolaus, Clown)
Hier ist der Grund: Kinder sind mit dem Unbekannten nicht vertraut. Ein großer Mann in einem roten Kostüm, buschigem weißem Bart und einem komisch aussehenden roten Hut ist für die meisten Kinder erst einmal unbekannt und deswegen sind sie innerlich alarmiert. Dann noch für ein Foto für‘s Familienalbum in die Nähe dieses Unbekannten machen müssen: ein Alptraum!)
Großer Sprung zu den Kindern zwischen 6 und 11 Jahren
Die Angst vor Fremden, die Dunkelheit, das Alleinsein und andere Dinge außerhalb ihrer Kontrolle beherrschen die Sorgen Deines Kindes bis zum Alter von 6 oder 7 Jahren. Dann befürchten Kinder bis zum Alter von 11 oder 12 Jahren diese Situationen:
– Allein zu Hause sein
Hier ist der Grund: Obwohl sie jetzt älter sind, stellen sich Kinder immer noch die Frage, ob sie in der Welt ohne Mama oder Papa allein zurechtkommen würden. Alleine natürlich nicht, denn natürlich würde sich jemand um sie kümmern. Aber diesen Aspekt beachten sie in diesem Augenblick nicht.
– Abgelehnt werden
Tief in unserem Unterbewusstsein verankert ist das Wissen, dass wir von Natur aus soziale Tiere sind. Die Ablehnung durch die eigene Art ist selten eine angenehme (oder gesunde) Erfahrung. Sie bedeutete früher den sicheren Tod. Das ist tief als Urinstinkt in uns verwurzelt. Deswegen kann es Kinder beängstigen, wenn sie im Streit weggeschickt werden. Die Urangst vor dem Ausschluss wird getriggert.
– Etwas Schlimmes passiert mit denen, die sie lieben
Der Grund dafür ist: Kinder beginnen auf einer gewissen Ebene zu verstehen, dass der Tod unvermeidlich ist. Als solche können sie jetzt über Verluste ernsthaft nachdenken bzw. reinfühlen: Verlust von jemand oder etwas (zum Beispiel ein Haustier), den / das sie lieben.
Jugendliche (ab 12 Jahren)
– Wirkung auf andere
Hier ist der Grund dafür: „Jugend ist, wenn wir uns fragen, wer bin ich und was mache ich hier“ … orientiert an Gleichaltrigen (Peergroup). Wenn wir nicht dazu gehören, macht uns das Angst (siehe Urangst oben)
– Noten oder Leistung
Warum dies so ist: Jugendliche begreifen die Konsequenzen des Scheiterns – und dies kann Angst hervorrufen. Kinder, die leistungsorientiert sind, werden sich besonders nach schlechten Prüfungsergebnissen oder schlechten Ergebnissen auf dem Spielfeld noch schwerer tun: wegen der Angst zu versagen. Self-fulfilling prophecy
– Selbständig werden
Hier ist der Grund: Wie bereits erwähnt, verstehen Jugendliche zumindest teilweise, wie wichtig es ist, eine gewisse Unabhängigkeit zu erreichen. Aber das bedeutet auch, sich aus dem Nestschutz hinaus zu begeben. Kombiniere dieses Wissen mit der Tatsache, dass die Pubertät alles „etwas“ dramatisiert (danke, Hormone!), und hier dein Kind erlebt den heftigsten Konflikt mit sich selbst.
Was also können wir Eltern tun, damit wir unsere Kinder in ihrer Entwicklung gut begleiten.
Ich schreibe bewusst „gut“, denn erst die Geschichte wird rückblickend klären, ob dies auch „optimal“ war.
Eine gute Basis ist zum Beispiel, dass Selbstbewusstsein deines Kindes zu stärken. Dazu gehört auch, dass eine aufkommende Angst nicht als unnötig ab getan wird. Aber es ist auch wichtig, dass du deinem Kind den Umgang mit der Angst an sich lernst. Wenn du alle Situationen, die deinem Kind Angst machen könnten vermeidest oder ihm zuliebe umgehst, schafft es dein Kind nicht, eine kompetente Strategie zu entwickeln, sich der Angst zu stellen und diese mittels Techniken bzw. Verhaltensänderungen zu bewältigen.
Und es ist möglich, dass wir Eltern darauf achten, was wir in solchen Situationen sagen:
Statt „Das ist doch kein Grund zum ängstlich sein!“ oder wie oben beschrieben „Keine Angst!“ lieber entspannende Worte wie „Dafür finden wir eine Lösung!“ oder „Was würde dir jetzt helfen, dass du dich besser fühlst?“.
Natürlich wird es Situationen geben, in denen weder du noch dein Kind mit dem Ergebnis zufrieden ist. Dann hast du gerade eben keinen Pädagogikpreis gewonnen … 😉
dafür du und dein Kind eine Erfahrung mehr, wie es nicht geht und die Chance zur Optimierung!
Da hilft nur eines: es das nächste Mal besser machen … solange bis es klappt. Und dann eine „High Five“ mit deinem Kind und der Angst eine lange Nase machen… Ätsch! Geschafft!
Wenn du Unterstützung bei Fragen rund um Pubertät, Familie, Schule oder Entwicklung brauchst, kannst du mich gerne kontaktieren unter
seitz@keen-teens.de
Ich freue mich auf dich!
Herzlichst, Deine Susanne Seitz