Als ob wir uns in der Pubertät nie verkehrt entschieden hätten …
Rückblickend würde ich heute sagen, dass ich damals keine Fehlentscheidung getroffen habe, sondern Erfahrungen gesammelt habe. Zum Glück hatte ich Eltern, die meinen verschiedenen Phasen des Ausprobierens, meinen Studienwechseln und meinen Umorientierungen vor allem mit einem begegnet sind: mit Vertrauen.
Das heißt nicht, dass sie alles guthießen. Dazu waren meine Ideen einfach zu unkonform. Sie haben sich nie davor gescheut, mir ihren Standpunkt und ihre Sicht der der Dinge auf Basis ihrer eigenen Lebenserfahrungen mitzuteilen und mit mir zu diskutieren. Und wenn ich dann meinen Weg trotz ihrer anderen Meinung gelaufen bin, dann haben sie einfach nur eines gemacht: mir vertraut.
Ich habe es Ihnen bestimmt nicht leicht gemacht: denn einige meiner Entscheidungen hatte eine enorme Tragweite auch für ihr Leben. Drei Monate während der Schulzeit nach Amerika trotz bevorstehenden Abis, meine vielen Reisen mit dem gewissen Faktor von Abenteuer, … bis hin zu meiner Entscheidung, mich scheiden zu lassen und noch dazu eine Selbständigkeit aufzubauen. Mehr noch: sie haben mich dann sogar unterstützt, meinen Weg zu gehen.
Denn irgendwie war ihnen bestimmt unbewusst das klar, was uns allen bewusst werden kann: dass in unsere Kindern ganz, ganz viel von uns selbst steckt. Es sind unsere Gene, die wir ihnen da weiter gegeben haben. Wie oft sagen sich dann Eltern im Konflikt mit ihrem Kind gegenseitig: „Den Dickkopf hat er von Dir!!“ Na klar, haben unsere Kinder auch unsere Eigenarten und Muster genetisch kopiert. Kinder übernehmen ja nicht nur die Äußerlichkeiten …
Doch viel wichtiger: Welche Stärken hat dein Kind von euch übernommen? Der Sturkopf zeigt ja auch eine gewisse Stärke, wenn es um das Dranbleiben und das Nicht-Aufgeben geht. Worauf bist du bei dir selbst stolz, welche Eigenart schätzt du an dir? Erkennst du sie in deinem Kind wieder?
Es gehört dazu, dass wir Fehler im Leben machen, denn jeder Fehler bringt uns weiter… vorausgesetzt, dass wir den Fehler als Anlass dafür nehmen, dass wir daraus lernen. Wie sonst hätten wir das Laufen gelernt: durch unzählige Landungen auf unserem Allerwertesten, die uns dazu bewegt haben es immer wieder zu probieren bis es klappt. Jedes Mal etwas anders ausbalanciert und jedes Mal ein bisschen erfolgreicher.
Ein Kind lernt nicht Laufen, wenn es Eltern am Boden festhalten und ihm sagen wie Balance geht und was alles Schmerzhaftes passieren kann, wenn es sich aufrichtet. Da hatten wir als Eltern ja auch eine ganz andere Struktur: wir haben unsere Kinder ermutigt, es immer wieder zu probieren und wir haben manch einen Versuch mit leicht angehaltenem Atem und bereit, noch einmal kurz unterstützend einzugreifen, aus dem Hintergrund beobachtet.
Doch insgesamt voller Vertrauen, dass unser Kind es irgendwann schafft. Und es hat funktioniert. Und dann in der Pubertät, wenn wir die Kontrolle über den „Fall auf den Allerwertesten“ unserer Kinder verlieren, entziehen wir ihnen dieses Vertrauen. Seltsam.
Wenn Kinder das Urvertrauen in sich selbst spüren, dann können sie die Kraft entwickeln, die Welten erzeugt. Ihre eigene Welt: nicht die der Eltern. Sie leben in einer ganz neuen Zeit, mit anderen Vorgaben und anderen Ansprüchen und Werten. Unsere Aufgabe ist es, ihnen unsere Welt zu zeigen und sie dann mit einer liebevollen und wertschätzenden Basis auf ihren eigenen Weg zu lassen. Es sind ja unsere Kinder: sie haben unsere Stärken mit dabei!
Vielleicht das eine oder andere Mal mit angehaltenen Atem … Bereit, noch einmal kurz unterstützend einzugreifend, aus dem Hintergrund beobachtend. Und dann unendlich stolz, wenn sie laufen …