Vergiss einfach mal alles, was du über „Tiger Moms“ weißt und verabschiede dich von der Bezeichnung „Helikopter-bzw-Drohnen-Eltern“, … denn es gibt eine neue Spezies von Eltern, die auf dem Parkplatz vor der Schule um die Pole-Position „Ich-hole-mein-Kind-von-der-Schule-ab“ kämpft- und diese neue Art wird vor nichts zurückschrecken, um den Erfolg ihres Kindes zu sichern: die Schneepflug-Eltern.
Der „Schneepflug-Elternteil“ ist definiert als eine Person, die ständig Hindernisse aus den Pfaden ihrer Kinder räumt. Er hat ein Auge auf den zukünftigen Erfolg seines Kindes, und jeder, der diesem im Weg steht, muss entfernt werden.
Ich weiß, dass es ähnlich klingt wie die Helikopter-Elternschaft, aber es gibt doch einige Unterschiede.
Helikopter-Eltern beobachten aus direkter Nähe und betreiben eine Art Mikromanagement „von oben“ aus Sorge und Furcht um ihren Nachwuchs.
Sie beobachten jeden Bissen, der in den Körper ihres Kindes eindringt, sie überwachen jede ihrer Bewegungen und überwachen jede kleinste Einheit der Hausaufgaben.
Sie halten ihre Kinder gerne nahe bei sich, weil sie sich verpflichtet fühlen, sich selbst um die eigene Nachkommenschaft in der großen, weiten Welt zu kümmern. Diese verantwortungsvolle Aufgabe können grundsätzlich nur sie selbst zur vollsten Zufriedenheit erfüllen.
Außerdem gibt niemand zu, dass er oder sie ein Helikopter-Elternteil ist – auch wenn es sich eindeutig um eines handelt.
Die Steigerung davon sind die Drohnen-Eltern: Drohnen überwachen lautlos …
Schneepflug-Eltern mögen sich in Sachen Ernährung und Erziehung ebenfalls mit dem Mikromanagement befassen, dies jedoch mit auf die Zukunft gerichteten Blick.
Sie möchten Schmerzen oder Schwierigkeiten aus dem Leben ihrer Kinder entfernen, damit ihre Kinder Erfolg haben können.
Es sind genau diese Eltern, die im Büro des Schulleiters sitzen und nach Zusatzkursen oder Sonderleistungen für ihr Kind fragen.
Pädagogen zufolge vermittelt dieses Klientel von Eltern eher den Eindruck einer Schneefräse und beanspruchen die absolute freie Fahrt für ihre Jungtiere. Jedes Hindernis wird auf dem Weg mit feinster Sensorik erfasst, pulverisiert und weggeblasen.
Sie beschuldigen die Schule, wenn etwas schief geht, und akzeptieren niemals etwas anderes für ihr Kind als den ersten Platz.
Woher ich das weiß? Weil wir bei der Erziehung unserer nächsten Generation vielleicht alle selbst ebenfalls irgendwie in die Schneepflug/-fräsen-Falle tappen.
Seit Jahren suche ich nach einem Label für den derzeitig in Deutschland vorherrschenden Erziehungsstil.
Es gibt Tendenzen zu laissez-faire und zu Hubschrauber-Elternschaft … zum Glück ist die Sache mit den Tiger Moms einfach zu aggressiv für die meisten Mütter bzw. Väter (für die müsste es dann ja vielleicht eher Lion Kings heißen) hierzulande.
Aber „Schneepflug“ könnte es gerade sein: trotz des anbrechenden Frühlings.
Zu oft habe ich in meiner Tätigkeit als Mutter, Studienrätin und Coach den Eindruck, dass wir uns gerade genau in diese Richtung entwickeln.
Vielleicht erkennst du dich in einer der folgenden Zeilen wieder:
Ich kann meine Kinder alleine zur Schule gehen lassen, weil die Forschung mir sagt, dass dies zu ihrer Unabhängigkeit und ihrem Selbstwertgefühl beitragen wird.
Aber wenn die Schule Nachmittagsstunden ansetzt, wie zum Beispiel Förderunterricht, und dieser nicht genau zu den Buszeiten endet, wird die Schulleitung definitiv von mir hören und mein Kind selbstverständlich abgeholt.
Ich schreibe Mitteilungen an die Lehrer, um meine Kinder von ihren Hausaufgaben zu entschuldigen, wenn ich sie nachmittags vom Training abhole und sie mir versichern, dass sie jetzt zu müde für die Hausaufgaben sind.
Und ja, ich fahre sie an wirklich kalten Tagen zur Schule. Aber ich bin nicht wirklich extrem Über-Mutter oder -Vater.
Ich bin zum Beispiel damit einverstanden, dass meine Kinder Misserfolge in der Schule haben dürfen – wenn ich ersehen kann, dass der Lehrplan strikt eingehalten wurde und Andere noch schlechter abgeschnitten haben als mein Kind.
Ich akzeptiere durchaus, dass sie nicht in den Schulsportmannschaften sind, wenn es sich um Volleyball handelt. Weil mein Kind ja Talent im Fußball hat und einer der Hoffnungsträger der Mannschaft ist, zu der ich es drei bis vier Mal in der Woche zu Trainings oder Spielen fahre.
Ich mache das Leben meiner Kinder ein bisschen einfacher – oft auf eine Weise, die sie nicht bemerken – aber ich schreibe natürlich nicht ihre Hausaufgaben oder die Bewerbung für die Universität. 😉
Forschungen haben gezeigt, dass sich Helikopter-Elternschaft negativ auf Kinder auswirken kann. Sie sind weniger belastbar und riskieren nicht so viel.
Des Weiteren entwickeln sie niemals angemessene Bewältigungsfähigkeiten oder die Reife, um selbst Entscheidungen zu treffen.
Experten befürchten, dass Kinder von Schneepflugeltern ähnliche Probleme haben – sie können nicht mit Fehlern umgehen oder Probleme nicht selbstständig lösen.
Kinder von Schneepflugeltern neigen dazu, lieber etwas aufgeben, anstatt sich für das Zweitbeste zu entscheiden beziehungsweise sich selbst anzustrengen.
Oder aber sie entwickeln einen Narzissmus dahingehend, dass sie sich selbst nicht richtig einschätzen können und im Zweifelsfall davon ausgehen, dass sie sowieso die Krönung der Schöpfung sind: denn wem sonst wird alles aus dem Weg geräumt, wenn nicht dem „Kini selbst“?!
Wir alle geben oder eher versuchen unser Bestes … und kein Label passt zu 100 Prozent zu uns.
Wir wissen, dass wir nicht jedes Hindernis von den Pfaden unserer Kinder entfernen können … ja sogar: nicht dürfen!!!
Um so wichtiger ist deshalb die nüchterne Erkenntnis: „Manchmal ist die beste Erziehung wirklich die: statt alles aus dem Weg zum räumen… geh du aus dem Weg. Und lass deine Kinder selbst den Weg frei machen!“
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