Liebe Eltern,
was deine Teenager wirklich braucht?
„Gibt es dafür eine Art Rezept wie für einen Schokoladenkuchen?“ fragte mich eine liebe Klientin letzte Woche. „Etwas, wo ich einfach nachlesen kann und dann weiß, was zu tun ist?“
Nun, selbst wenn es dieses Rezept geben würde, würde es doch in der Woche darauf schon nicht mehr passen: Leben ist Veränderung … vor allem in der Pubertät.
Hier kommt demnach also kein Rezept für den Umgang mit deinem Teenager. Vielmehr kommt eine Zutatenliste, die “Ingredienzien“, die dir und euch helfen können, besser und entspannter durch die Zeit der Pubertät eurer Teenager zu kommen:
Deine Kinder haben es bis in die Teenagerjahre geschafft. Glückwunsch, … du hast die Vorschul- und Grundschuljahre überlebt.
Sie brauchen dich nicht mehr, um sie zu füttern, ihre Haare zu bürsten, sie anzuziehen und für alle körperlichen Bedürfnisse zu sorgen.
Du kannst jetzt …
eine ganze Mahlzeit ohne Unterbrechung essen,
ein Buch lesen,
mit Freunden telefonieren,
einen Abend mit Gästen verbringen,
ausgehen,
eine Fernsehsendung für Erwachsene ansehen
und sogar alleine ein Schaumbad genießen.
Ich weiß, dass du von diesen ersten 10-12 Jahren ein bisschen körperlich erschöpft bist, aber ich muss dich leider noch einmal kurz auf den Boden der Tatsachen zurückholen.
Denn während die Teenagerjahre weniger körperlich arbeitsintensiv sind, können sie für uns Eltern geistig sehr anstrengend sein.
Dies jedoch ist noch nicht die Zeit, um sich zurückzuziehen und sich nicht am Leben deines Kindes zu beteiligen. Nein, ganz im Gegenteil.
Zwischen Kindheit und Erwachsenenalter liegen die hormonellen und manchmal turbulenten Teenagerjahre.
Das Hauptziel der Teenagerjahre ist es, dein Kind auf das Erwachsenenalter vorzubereiten. Behalte bitte dieses Endziel im Hinterkopf.
Es kann schwierig sein, das Gleichgewicht zwischen der Begleitung des Wachstum deines Teenagers und dem Zurückhalten zu finden.
Es wird Zeiten geben, in denen sie sich wie Fünfjährige verhalten, und manchmal (gefühlt im nächsten Augenblick) werden sie reife und vernünftige Entscheidungen treffen.
Hier ist eine Liste von 10 „Zutaten“, die Teenager von Eltern am meisten brauchen, um sich zu glücklichen, gesunden und verantwortungsbewussten Erwachsenen zu entwickeln.
10 Dinge, die Teenager am meisten von den Eltern brauchen
1. Zeige Interesse an ihren Interessen
Interessiert euch als Eltern wirklich für Bereiche, die für deinen Teenager wichtig sind. Du musst nicht in jeder Aktivität oder Hobby deines Sohnes / deiner Tochter ein Experte sein, sondern nur Interesse zeigen und so viel wie möglich teilnehmen.
Wenn dein Teenager nur Videospiele spielen möchte, dann frage einfach, ob du einmal mitspielen kannst. Stelle Fragen zum Spiel. Wer ist sein Lieblingscharakter? Was mag er an dem Spiel so sehr?
Wenn dein Teenager ständig telefoniert und chattet, frage zum Beispiel nach seinen Lieblings-Apps. Welche Apps würde er / sie dir empfehlen?
Wenn dein Teenager im Fitnessfieber ist, trainiere mit ihm / ihr: Gewichte zusammen heben, zusammen laufen oder Fahrrad fahren. Wenn er / sie weiter fortgeschritten ist als du, bitte einfach um Unterstützung.
Egal, was dein Teenager tut, finde einen Weg, sich mit dir in mindestens einer Sache zu verbinden, die er/ sie liebt.
2. Ermutige und lobe sie
Dein Teenager muss sich ehrlich gesagt mehr als genug negatives Feedback von dir anhören. Das liegt in der Natur der Pubertät: Rebellion gegen Autoritäten, emotionale Unzurechnungsfähigkeit, Gefühlschaos, Vernunfts-Breakdown … und wir Eltern manchmal am Rande des Nervenzusammenbruchs oder Wutanfalls.
Es wird viele Male geben, wo du korrigieren oder Feedback geben musst, um eurer Familienwerte und -struktur zu wahren, aber suche bitte auch das Gute und mache deinem Teenager regelmäßig Komplimente.
Wurden alle seine Hausaufgaben diese Woche pünktlich abgegeben? Klasse!
Hat er / sie daran gedacht, ihren Wecker zu stellen und pünktlich aufzustehen? Mega!
Hat er / sie sich Mühe gegeben, einem Freund zu helfen? Fantastisch!
Dinge wie „das war eine reife Entscheidung“ oder „du hast das Richtige getan“ zu sagen, kann deinen Teenager sehr ermutigen. Suche nach Möglichkeiten, Komplimente zu machen, und mache dies bitte häufig…. sehr häufig!
3. Rat anbieten
Jugendliche können sehr emotional sein.
Beobachte bitte, wenn sie traurig, wütend, verletzt oder einfach nur ruhig sind.
Stelle Fragen, um herauszufinden, was ihn / sie stört oder bewegt. Wenn er / sie sich dir öffnet, identifiziere gemeinsam mit deinem Teenager die Emotionen, die er / sie fühlt.
Vielleicht gelingt es dir und du denkst an eine Zeit zurück, in der du die gleichen Emotionen empfunden hast.
Teile eine Situation, mit der du zu kämpfen hattest, und sei bitte ehrlich mit deinem Teenager.
Teile nicht nur deine Erfolge mit oder Situationen, die einen pädagogischen Lerneffekt beinhalten, sondern erzähle auch, wann du es vermasselt hast oder welche Konsequenzen deine Entscheidungen hatte… und dass diese Konsequenzen jetzt hoffentlich trotzdem keine negativen Auswirklungen mehr auf dein Leben haben.
Ratschläge, die auf Emotionen und realen Erfahrungen basieren, helfen deinem Teenager, sich mit dir zu identifizieren und vor allem sich mit dir zu verbinden. Beziehung ist auch zu unserem pubertierenden Kind die wichtigste Basis für eine gesunde Entwicklung.
Bitte genau lesen: Rat anbieten. Nicht aufoktroyieren … das wäre übergriffig. Auch wenn du aufgrund deiner Lebenserfahrung weißt, was zu tun ist. Oder es glaubst, zu wissen …
4. Verbringe Zeit mit deinem Teenager
Schaffe mit Ihrem Teenager Traditionen, indem du regelmäßig geplante Veranstaltungen planst, auf die ihr euch beide freut.
Du kannst einen jährlichen Campingausflug machen, alle 2-3 Wochen einen Fernsehabend, Brettspiele am Freitagabend, Mittagessen am Sonntag in einem Restaurant (wenn es wieder geht: sonst eben Take Away und Picknick) oder einen monatlichen Familienausflug machen.
Dazu gehören hoffentlich bald auch wieder auch spontane Ausflüge wie ein Wochenend- oder Übernachtungsausflug, ein Matinee-Film, ein Konzert oder ein Einkaufsbummel.
Suche und schaffe Möglichkeiten, um Zeit miteinander zu verbringen.
5. Frage nach den (Zukunfts-)Plänen
Anstatt Teenagern zu sagen, dass sie langfristige Pläne machen sollen, frage du sie. Frage einfach: “Was hast du für dieses Wochenende / im Sommer vor?” “Was für einen Job möchtest du dir suchen, wenn du deinen Abschluss gemacht hast?” “Wo möchtest du dich bewerben /was studieren?”
Versuche dabei bitte, die Fragen offen zu halten, damit sie genügend Raum für weitere Ausarbeitungen haben.
Wenn du eine Ja- / Nein-Frage stellst, ist dies wahrscheinlich die einzige Antwort, die du erhältst.
Einfach fragen und zuhören … und deinen jungen Menschen und deine Träume, Pläne und Visionen somit irgendwie neu kennenlernen.
6. Gestatte etwas Unabhängigkeit
Löse dich bitte ein wenig von der „Regentschaft“ und gebe deinem Teenager Stück für Stück mehr die Freiheit, seine Zeit ohne deine Einmischung zu verwalten.
Stell die Schlafenszeit etwas später ein, verlängere die Ausgangszeit um eine Stunde oder gib ihm / ihr vielleicht sogar Geld, um ohne dich Kleidung zu kaufen.
Sprich mit deinem Teenager über Unabhängigkeit, Verantwortung und Vertrauen.
Stell dabei bitte sicher, dass er / sie versteht, inwieweit die Unabhängigkeit, die du ihm / ihr gewährst, direkt mit der Verantwortung verbunden ist, mit der er / sie umgehen kann.
Wenn er / sie dein Vertrauen bricht oder wenn seine / ihre Noten darunter leiden, wird ein Teil dieser Unabhängigkeit weggenommen. Diese Konsequenz muss vorher unbedingt angekündigt sein. Am besten ist es dann, die vorher großzügig gewährten Zugeständnisse wie abgesprochen an einem Punkt zu reduzieren.
Aber dabei auch in Aussicht stellen, dass es dieses Mal leider nicht wie vereinbart geklappt hat und deswegen die besprochenen Konsequenzen folgen, dass es aber eine Möglichkeit gibt, es in naher Zukunft noch einmal zu probieren, weil du weißt, dass er / sie es dann besser schafft.
Dieser Prozess kann während der Teenagerjahre eine Art Tauziehen sein.
Aber: manche Fähigkeiten werden einfach nur durch Übung erlernt.
7. Sei das „Hangout House“
Ermutige deinen Teenager, regelmäßig Freunde einzuladen. Wenn sie nicht darum bitten, Freunde einzuladen, schlage es ihnen vor! Auch während Corona ist wenigstens ein Freund im Haushalt erlaubt.
Biete an, einen Spiel- oder Filmabend einzurichten. Bestelle Pizza, mache Popcorn, organisiere reichlich Snacks und gib deinem Teenager einen sicheren Ort zum Entspannen.
Wenn Freunde ankommen, begrüße sie kurz an der Tür und sein dann … unsichtbar.
Nichts ist für deinen Teenager peinlicher als eine Mutter / ein Vater, der dann mit lässigen Sprüchen oder Dauernachfragen immer wieder wie aus dem Nichts auftaucht.
Bitte entschuldige meine Deutlichkeit. Aber es geht nicht um dich und dass du cool bist. Es geht um deinen Teenager.
8. Halte Lieblingsessen und viele „extra“ Lebensmittel bereit
Jugendliche sind immer hungrig. Sie sind ständig unterwegs und voller Energie, deshalb brauchen sie viel Kraftstoff. Es ist wichtig, genügend Snacks auf Lager zu haben. Noch dazu entwickeln sie in der Pubertät eventuell besondere Essenidentitäten: vegetarisch, vegan, asiatisches Essen, low carb….
Lege am besten einen Bereich in deinem Kühlschrank, deiner Speisekammer oder einem Küchenschrank fest, indem du Snacks aufbewahrst, die dein Teenager jederzeit essen kann. Halte diese Plätze mit einer Vielzahl von Lebensmitteln gefüllt und fülle sie häufig auf. Dies gibt dir einen gewissen Überblick über die Snacks, zu denen dein Teenager Zugang hat, und es gibt ihm / ihr die Freiheit, auch selbst zu entscheiden, was er / sie essen möchte.
9. Sei stolz auf deinen Teenager
Lass die Welt wissen, dass du stolz auf deinen Teen bist! Wenn du bei einem Konzert, einer Sportveranstaltung, einer Aufführung, einer Rede oder bei was auch immer dein Teenager teilnimmt, dabei bist, mache Fotos und schau sie dir gemeinsam mit deinem Teen an – oder nimm es für eine gewisse Zeit als Hintergrundbild auf deinem Handy. Stell sie in die Familiengruppe auf WhatsApp und erzähle auch gerne deinen Freunden davon: wahre Freunde werden sich mit euch als Familie freuen.
Wir sind es nicht gewohnt, dass wie uns selbst hervorheben. Es geht auch gar nicht um euren Erfolg als Eltern, sondern um das Feedback an deinen Teenager.
Dein Teenager mag zunächst etwas verlegen erscheinen, aber er / sie darf wissen, dass du so stolz auf ihn / sie bist.
Wenn du auf den gleichen Social Media Plattformen wie dein Teenager bist, dann frag ihn / sie, ob du seine / ihre Posts liken oder eventuell sogar ab und zu kommentieren darfst.
Respekt und Wertschätzung sind gerade jetzt unglaublich wichtig.
10. Sag “Ich hab dich lieb”
Lass bitte diese wichtigen Wörter nicht unausgesprochen. Geh nicht davon aus, dass dein Teenager weiß, dass du ihn / sie liebst.
Bitte sage es regelmäßig und begleite die Worte mit einem ehrlich gemeinten Blick, einem Gefühl und / oder einer Berührung am Arm (oder einer Umarmung, wenn es sich für euch beide gut anfühlt).
Wenn dies etwas ist, das du vorher nicht in dieser Form gemacht hast, mag es zunächst ungewohnt erscheinen, aber mache es dir zum Ziel, deinem Teenager oft “Ich habe dich lieb” zu sagen.
Egal wie viel du für ihn / sie bereitstellest, an ihrem Leben teilnimmst, stolz auf deinen Teen bist und ihn / sie lobst … nichts kann ersetzen, dass du ihm / ihr regelmäßig sagst, dass du ihn / sie liebt hast.
Nichts …. Wirklich NICHTS geht über deine Beziehung zu deinem heranwachsenden Kind: kein Streit, keine Diskussion und auch nicht die allermeisten Regelverletzungen können so wichtig sein, dass du darüber die tiefe Verbundenheit zu deinem Kind (egal wie alt es ist) gefährdest.
Dein Kind wird sich in den Teenagerjahren natürlich von dir zurückziehen.
Es ist Teil des Erwachsenwerdens.
Wenn du aber möglichst viele dieser 10 Dinge, die Jugendliche von Eltern am meisten brauchen, beherzigst, wird dies dazu beitragen, eine enge Beziehung zu dem Erwachsenen sicherzustellen, zu dem dein Teenager dann wird.
Viel Liebe und Gelassenheit für die Begleitung deines Teenagers beim Erwachsenwerden!
Herzlichst, deine Susanne Seitz